Ich wundere mich halt bloss, ob ich wirklich der einzige hier bin, dem diese Widersprüche beim Thema Diabetes auffallen und daher Mühe hat sowas nachzuplaudern, was selbst einer groben Überprüfung nicht standhält ohne, dass man da einige dicke Fragezeichen haben müsste?
1. Das fängt ja schon bei den
Symptome und dem Verlauf der Krankheit an:
Ich gehe jetzt mal von Diabetes beim Menschen aus. Unbehandelt magern die Leute ab, man findet unter anderem Zucker im Urin und der Krankheitsverlauf geht in der Regel relativ schnell, da Insulin wichtig ist für den Stoffwechsel.
Bei Degus müsste in diesem Falle ähnliches beobachtet werden, dagegen sind diese "diabeteskranken" Degus in der Regel dick, man "diagnostiziert" diese "Krankheit" neben dem Gewicht an den auftretenden Katarakte. Über Zucker im Urin hört man kaum was und dass sie schnell sterben und abmagern auch nicht, dagegen dass sie meist kaum weniger alt werden als ihre nicht diabetösen Artgenossen. Wer da nicht schon erste grosse Fragezeichen bekommt an der angeblich grossen Anfälligkeit der Degus für Diabetes, der scheint doch recht blind durch die Welt zu laufen.
(es gab übrigens tatsächlich Berichte von Degus, die abgemagert sind und deren Symptome eher zu Diabetes passen würden, aber diese Fälle waren schon damals vor bald 15 Jahren, als diese Diskussion geführt wurde, ziemlich selten, zu selten, um eine direkte Verbindung mit falscher Ernährung als Hauptursache in Verbindung zu bringen)
2. Wir können aber der Sache noch ein bisschen mehr auf den Zahn fühlen und dort hingehen, wo es richtig weh tut, zur
Ernährung. Auch das ist keine Raketenwissenschaft und mit ein bisschen Logik eigentlich leicht verständlich. Wo wollen wir anfangen? Zum Beispiel bei den Grundlagen der Ernährung:
Degus brauchen genauso wie Menschen auch Nährstoffe, damit sie genügend Energie haben, um ihren Stoffwechsel aufrecht zu erhalten und es sind da nun die selben Nährstoffe, die da sind:
- Fette
- Kohlenhydrate (ja die bösen Kohlenhydrate)
- Eiweisse
Dazu kommen Mineralstoffe in Form von Mengenelemente und Spurenelemente, welche wichtige Bausteine liefern für den Stoffwechsel. Zudem auch wichtig sind Vitamine und bei zahlreichen sekundären Pflanzenstoffen ist man aus Sicht der Ernährung noch nicht so ganz schlüssig, wie wichtig sie sind, in Bezug auf die Gesundherhaltung ist zumindest bekannt, dass einige sehr wichtig sind.
Zudem wären dann noch die Ballaststoffe, die aus energetischer Sicht keine Rolle spielen, aber für die Darmgesundheit dürften sie wohl auch ein gewisse, nicht unbedeutende Rolle spielen. Natürlich können aus ihnen durch mikrobielle Vergärung im Dickdarm zumindest teilweise wertvolle Flüchtige Fettsäuren (VFA, SCFA) hergestellt werden, gerade aus Zellulosen, Hemizellulosen und Co.
Schauen wir uns also an, was problematisch ist bei Diabetes, sind es in erster Linie die Kohlenhydrate und in zweiter Linie spielt auch die Verfügbarkeit der Kohlenhydraten eine Rolle (Stichwort glykämischer Index). Wenn wir aber die Ernährung der Degus anschauen, stellen wir ebenso fest, dass eben gerade diese Kohlenhydrate eine wichtige Rolle in ihrer Ernährung spielt und daher wir es mit dem Weglassen von "Zucker" und Getreide uns die Sache doch etwas sehr einfach machen. Der Hauptteil der Energie, welche Degus aufnehmen, kommt auch bei getreidefreier Ernährung aus Kohlenhydraten (und Fett). Eiweisse spielen in der Regel nur eine untergeordnete Rolle und selbst bei der Verfütterung von Sämereien ist der Anteil an Eiweisse verglichen mit den Kohlenhydrate und Fette meist nicht dominant. Wenn wir dann noch wissen, dass in der Wildnis bei Degus die Grassamen saisonal mehr als die Hälfte ihrer Nahrung ausmachen, dann haben wir da auch wieder das Getreide als wichtiger Nahrungsbestandteil, wenn auch in seiner ursprünglicher Form. Getreide ist letztlich auch nichts anderes als kultiviertes Gras.
Die ganze Ernährung der Wilddegus ist unter anderem bei Hommel, S. 9-11 schön zusammengefasst:
https://elib.tiho-hannover.de/dissertat ... d_ws12.pdf
3. Wir könnten jetzt natürlich noch tiefer einsteigen und die ganze
Diabetesliteratur aus der Forschung an Degus einbeziehen. Ich spare das aber an dieser Stelle, es würde letztlich auch nicht mehr Klarheit bringen, abgesehen davon, dass wir noch etwas über die spezielle Situation des Degus bezüglich Insulin erfahren würden, was letztlich zumindest teilweise das ganze Chaos erklärt rund um das Thema Diabetes.
Kommen wir nun aber zurück zu den Fakten, was ist dran an dem Diabetes-Mythos?
Was wir sagen können, dass es mit einer Ernährung mit zu hohem Anteil einfach verdaubarer Kohlenhydrate zu Stoffwechselproblemen kommen kann (welche sich in Gewichtszunahme und Bildung von Katarakten äussert, was fälschlicherweise gerne als "Diabetes" bezeichnet wird), wobei vermutet wird, dass erbliche Faktoren dabei eine wichtige Rolle spielen. Es ist also nicht per se falsch auf kohlenhydratreiche Ernährung zu verzichten, wobei es dennoch irreführend ist, wenn man sich am Zuckergehalt oder Stärkegehalt(?) von einzelnen Futtermitteln festmacht und denkt, dass es per se gut wäre, auf Getreide komplett zu verzichten. Es kommt letztlich auf die gesamte Ernährung an und da wird wahrscheinlich zwischendurch ein bisschen frischer Apfel besser sein, wenn die Degus auch sonst ohnehin viel Frischfutter (Wiese, frische Wildkräuter, frische Zweige/Laub etc.) bekommen, als wenn man denkt, man solle seine Degus "zuckerfrei" und getreidefrei füttern solle und ihnen nur Trockenfutter/Heu füttert. Hierbei wird nämlich auch gerne vergessen, dass eine solch trockene Kost nicht nur unnatürlich und ungesund ist, sondern dass moderne Gräser ebenfalls hochgezüchtet sind und recht kohlenhydratreich sind (man will die Kühe mit dem modernen Gras ja auch besser mästen können).
Gerne vergessen geht auch beim Thema frisches Obst, dass der Wassergehalt den Zuckergehalt verdünnt, und dass man bei getrockneten Kräutern, Gemüse und Co. sich der Zucker konzentriert durch die Trocknung (ja auch Pflanzen, bei denen man denkt, sie enthalten keinen Zucker, können kleine Mengen an Zucker enthalten, bei Gemüse kann der sogar mitunter recht hoch sein, wobei wir hier von Prozentanteilen von 2-6% bei frischem Gemüse sprechen, verglichen mit etwa 10-20 Prozent bei frischem Obst und Früchten). Insofern sind natürlich Trockenfrüchte, gerade wenn sie einen höheren Zuckergehalt haben, ohnehin besonders problematisch, da dieser durch die Trocknung nochmals deutlich gesteigert wird. Doch statt zu differenzieren und aufzuzeigen, wo die Fallstricke liegen, scheint es offenbar heutzutage in Zeiten von "Fake News" und "Alternativen Fakten" bequemer zu sein, dass man das Thema Ernährung auf vereinfachte Halbwahrheiten zusammenschrumpft, und damit neue Ernährungsymthen schafft, anstatt den Leuten zu helfen die Ernährung der Degus besser zu verstehen.
So gesehen, sind frische Physalisbeeren nun schädlich für Degus? Ich denke nicht. Man sollte das Kind nicht mit dem Bade auskippen.
Eine andere Frage ist allerdings, ob Degus die Beeren mögen und ob es sinnvoll ist, ihnen die Beeren anzubieten. Da habe ich schon eher Zweifel. Es wäre aber letztlich denkbar, dass wilde Degus die Beeren sogar fressen, zumal Physalis auch in ihrem Lebensraum wachsen dürften. Einen wichtigen Bestadtteil ihrer Nahrung machen sie dagegen vermutlich kaum aus. Auch wenn man die Beeren bei uns problemlos anbauen kann und gute Ernten einfahren kann, so wäre mir die Beere zu kostbar, um sie einfach an Degus zu verfüttern. Und wer die Beeren nun extra kauft, die ja meist aus Südamerika (Peru, Ecuador) importiert werden, der tut der Umwelt auch nicht gerade etwas Gutes...