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Degumännchen sterilisieren?

Verfasst: 19. Okt 2019, 09:27
von Tammi1990
Hallo,

weiß jemand, warum man beim männlichen Degu immer die doch sehr große, belastende und recht riskante Kastration der Männchen vornimmt?
Da doch hormonell hier kaum ein Effekt eintritt und es alleine um das Unfruchtbarmachen geht.

Warum kann man nicht einfach sterisilieren - also die Samenleiter durchtrennen und verschließen? Das müsste doch eigentlich ein deutlich kleinerer Eingriff sein.

Oder muss hier dennoch wegen der Feinarbeit und wohl meist fehlender Ortskenntnis der Chirurgen bei der Tierart so weit aufgeschnitten werden, dass es kaum einen Unterschied macht, ob Organe (die Hoden) entnommen werden?
Oder ist es wie bei den Kaninchen, dass die Samenleiter in vielen Fällen wieder zusammenwachsen ?

Ich habe schon einzelne Halter gesehen, die angeben, ihr Böckchen sei sterilisiert. Allerdings bin ich nicht sicher, ob das so ist oder ob sie den Unterschied nicht so ganz verstehen.

Viele Grüße
Tammi

Re: Degumännchen sterilisieren?

Verfasst: 28. Okt 2019, 11:20
von Octodon
Der Degu ist durch seine innenliegenden Hoden eine anatomische Besonderheit, aber trotzdem ist die Kastration immer noch einfacher durchzuführen als eine Sterilisation. Denn auch die Samenleiter liegen innen gut versteckt, weswegen das Abklemmen und Veröden ein Riesenakt für den Operateur und auch für das in Narkose liegende Tier wäre. Zudem ist eine Sterilisation die unsicherere Methode; es kann theoretisch passieren, dass der Eingriff nicht richtig erfolgte und die Zeugungsfähigkeit somit weiter erhalten bleibt. Somit wäre dieser Eingriff erst recht umsonst gewesen.

Zum Schnitt: Ich weiß nicht, was du für Bilder im Kopf hast, wie weit die Tiere "aufgeschnitten" werden. Es sind genau zwei kleine Schnitte links und rechts in der Leiste. Da ist also nichts mit großer Wundfläche. Manchmal wird noch nichtmal genäht, sondern nur geklebt (nicht unbedingt die bessere Methode). Die Wunde wird häufig unterschätzt, weswegen einige TÄ noch nichtmal Antibiose zur Nachsorge geben, weswegen sich da gerne Abszesse bilden können. Also ist Vorsicht angesagt.

Bzgl. der Aussagen der Deguhalter: ich gehe auch sehr stark davon aus, dass das "Sterilisierte" umgangssprachlich gemeint war und tatsächlich eine Kastration erfolgte.

Re: Degumännchen sterilisieren?

Verfasst: 30. Okt 2019, 11:02
von Tammi1990
Hallo Octodon,

vielen Dank für deine aufschlussreiche Antwort. Bedauerlich, dass hier also wohl kein einfacherer iSv weniger riskanter Weg existiert. Suchen doch recht viele Weibchenbesitzer ein nicht fortpflanzungsfähiges Männchen.
Octodon hat geschrieben: 28. Okt 2019, 11:20 Zum Schnitt: Ich weiß nicht, was du für Bilder im Kopf hast, wie weit die Tiere "aufgeschnitten" werden. Es sind genau zwei kleine Schnitte links und rechts in der Leiste. Da ist also nichts mit großer Wundfläche. Manchmal wird noch nichtmal genäht, sondern nur geklebt (nicht unbedingt die bessere Methode). Die Wunde wird häufig unterschätzt, weswegen einige TÄ noch nichtmal Antibiose zur Nachsorge geben, weswegen sich da gerne Abszesse bilden können. Also ist Vorsicht angesagt.
Ehrlich gesagt kenne ich mehr die Berichte über Komplikationen nach der Kastration. Und ging deshalb davon aus, dass der im Verhältnis zum Tier doch sehr große operierende Arzt, der von der Häufigkeit her auch nicht so oft Degus auf dem OP-Tisch liegen haben wird, deshalb auch in Relation eher recht große Schnitte setzt, um ein bzw zwei Organe zu entnehmen. Und mit der Feinarbeit zum Teil schlichtweg Probleme hat.
Dass hier dann zum Teil eine anständige Wundversorgung/-verschluss unterbleibt und zudem nicht einmal Antibiotika gegeben werden, ist traurig. :shock:

Re: Degumännchen sterilisieren?

Verfasst: 31. Okt 2019, 09:11
von Octodon
Also der Schnitt ist größentechnisch bei allen Säugetieren (inkl. männlichem Menschen bei Vasektomie) so ziemlich der selbe ;) Es wird grundsätzlich so minimalinvasiv wie nur möglich gearbeitet. Das Problem ist halt lediglich das, dass die Hoden beim Degu im Vergleich zu anderen männlichen Säugetieren relativ gut versteckt in der Bauchhöhle liegen. Das muß der behandelnde TA natürlich wissen. Und auch, wo er suchen muß. Dann ist die eigentliche Operation kein großes Ding, vorausgesetzt, es liegt alles dort, wo es sein soll. Ich hatte mal einen Degu, der sich während der OP als Kryptorchid entpuppte. Die TÄ hat ziemlich lang mit Schweißperlen auf der Stirn nach dem zweiten Hoden gesucht und ihn nicht gefunden :lol: Sie hat ihn dann wieder zu gemacht und die OP war somit semi-erfolgreich. Vielleicht hatte dieser Degu auch nur einen Hoden, und sie hätte sich dumm und dämlich gesucht, ich weiß es nicht. Sowas kann auch vorkommen (bei mir ein einziges Mal bei rund 25 Kastrationen, die ich selbst in Auftrag gegeben habe).

Bzgl. der Wundversorgung.. ja, das ist in der Tat traurig. Das rührt vermutlich von der Erfahrung einiger TÄ mit Kaninchen, die tatsächlich so einfach zu kastrieren sind und deren Wundheilung angeblich so unproblematisch ist, dass dort auf AB gerne verzichtet wird (ich schreibe extra "angeblich", da ich das so vermittelt bekam, es aber nicht so recht als Grundsätzlichkeit anerkenne. Ich war bei Kaninchenkastrationen schon zugegen, und es ist wirklich recht einfach von der Durchführung, und es wurde bei dieser TÄ noch nichtmal genäht oder geklebt).

Ich habe einen Degu an einer Sepsis verloren. Es war der erste, den ich habe kastrieren lassen und dieser TA verzichtete auf Antibiose und Schmerzmittel. Es bildete sich ein Abszess, der auch von der zweiten TÄ nicht als solcher erkannt wurde. Ein zweiter Degu, den ich dort ebenfalls zeitgleich kastrieren ließ, zeigte die gleiche Symptomatik, konnte aber gerettet werden. Er hat davon aber zeitlebens einen psychischen Hau davongetragen. :(

Zu dieser Zeit bin ich dann in meine Stamm-TA-Praxis gekommen, die ich bei kniffligen Fällen und Zahngeschichten heute noch besuche (habe mittlerweile einen sehr langen Anfahrtsweg). Dort habe ich dann im Laufe der Jahre alle meine Degus (und auch Hund und Rennmäuse) operieren lassen. Ob Zähne, Kastration, Tumor OPs, sogar ein Auge haben sie mal entfernen müssen..... Kein einziges Tier ist dort auf dem Tisch geblieben. Alle haben sich gut erholt und es gab nie postoperative Komplikationen.

Du siehst also, es steht und fällt sehr viel mit dem richtigen TA.

Re: Degumännchen sterilisieren?

Verfasst: 1. Nov 2019, 10:26
von Tammi1990
Octodon hat geschrieben: 31. Okt 2019, 09:11 ...bei mir ein einziges Mal bei rund 25 Kastrationen, die ich selbst in Auftrag gegeben habe
Jetzt muss ich doch nachfragen. Warum denn SO viele ? Waren das alles Männchen, die über viele Jahre bei aus Notfällen dir gelandet sind weil sie so schwierig waren, dass sie nicht mehr mit anderen Männchen zusammen leben konnten?

Natürlich kann man hier eine unterschiedlche Einstellung haben, aber für mich ist es schon eine große, völlig überflüssige Operation mit Enahme von Organen aus dem Körperinneren. Ohne medizinische Indikation.

Und ich würde den Schmerz, Angst und Risiko nie einem wunderbaren, gesunden normalen Degumännchen ohne "soziale" Not antun. Deshalb auch die ursprüngliche Frage, ob es nicht vielleicht doch weniger riskante (und auch schmerzhafte) Eingriffe gibt, um diese nun mal bestehende Nachfrage zu bedienen. :(
Ich finde nicht, dass sie gerechtfertigt ist, nur weil man es nett findet, wenn in einer Weibchengruppe eben noch ein Kastrat sitzt.

Das soll nicht aggressiv klingen - wie gesagt ich weiß dass es ein weites Feld ist auf dieser Welt was Menschen von Tieren erwarten. Und meine Einstellung dazu ist nun mal eine andere wie die vieler Deguhalter. Kann sein. Aber ich mag das eigentlich auch nicht verschweigen und mich würden die Beweggründe dazu eben schon interessieren?
Und wenn es eben nur die andere Einstellung dazu ist.
Das ändert nichts an meinen Dank über die detaillierte Aufklärung/Informationen oben.

Re: Degumännchen sterilisieren?

Verfasst: 4. Nov 2019, 16:13
von Octodon
Ja, diese Kastrationen waren unter den damaligen Umständen ein wohlüberlegter aber notwendiger Schritt, den man - übrigens auch aus finanzieller Sicht - nicht mal so eben geht. Und ich bin froh, dass ich mich dazu entschieden habe, da dies allen beteiligten Tieren auf lange Sicht bestmögliches Lebensniveau bis zum Schluß bieten konnte.

Ich nehm dir die Frage nicht übel, denn du kennst ja weder mich noch die damaligen Umstände, die dazu führten. Es ist also nur ein kleiner Abriß einer langen und sehr bewegten Geschichte, der mich an deiner Stelle zu ähnlichen Aussagen verleiten würde. Also alles gut.

Re: Degumännchen sterilisieren?

Verfasst: 5. Nov 2019, 08:12
von Tammi1990
Octodon hat geschrieben: 4. Nov 2019, 16:13 Ich nehm dir die Frage nicht übel, denn du kennst ja weder mich noch die damaligen Umstände, die dazu führten.
Es ist also nur ein kleiner Abriß einer langen und sehr bewegten Geschichte, der mich an deiner Stelle zu ähnlichen Aussagen verleiten würde. Also alles gut.
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Ja das stimmt und das habe ich auch versucht, oben voranzustellen. Danke und LG :-)