Hallo Franzi,
wenn ich die Zeit habe, versuche ich gerne zu helfen und gemeinsam mit dem Halter zu überlegen, warum es Probleme in einer Gruppe gibt und wie man diese durch positiven Einfluss von außen beheben könnte.
Da aber eine verantwortungsvolle und umsichtige Vergesellschaftungsbegleitung extrem zeitaufwändig ist und zudem einiges an Erfahrungen gerade rund um die komplexen und vielschichtigen Themen Verhalten und Vergesellschaftung (die oftmals sehr eng zusammenhängen) voraussetzt, dauert es u.U. länger, bis ich auf Beiträge antworte. Den zum einen habe ich ein ganz normales Leben mit allen damit verbundenen Verpflichtungen (geschäftlich, sowie privat) und zum anderen kann man Vergesellschaftungsfragen nicht pauschal beantworten, sondern muss sich jedes Mal aufs Neue den speziellen Einzelfall anschauen.
Ratschläge, wie bspw., dass man generell die Degus die Rangstreitigkeiten auf jeden Fall untereinander ausmachen lassen soll, denn sie könnten dies sehr wohl untereinander ausmachen, halte ich persönlich nicht nur für falsch, sondern auch noch für sehr gefährlich. So etwas habe ich nämlich schon öfters an unterschiedlichen Stellen im I-Net gelesen.
Denn damit riskiert man ggf. die Gesundheit oder gar das Leben seiner Haustiere.
Naturgemäß geht man in Degukreisen alles andere als zimperlich miteinander um, wenn man sich in Form von Boxkämpfen à la Känguru kräftemäßig miteinander misst und dabei auch gerne mal über die Etage schleudert. Daher sollten alle Gefahrenstellen, auf die man entweder "dumm" aufschlagen oder von denen man runterfallen und dabei ggf. sogar sehr tief stürzen könnte, unbedingt beseitigt oder zumindest entschärft werden!
Bei solchen Auseinandersetzungen entstehen in den allermeisten Fällen leichte bis mittlere Blessuren, denn die Krallen der Degus sind nun einmal scharf und spitz. Daher ist nicht selten der Brust- u./o. Halsbereich zerkratzt bzw. blutig, was manchmal auch für die Folgen von vermeintlichen Kehlbissen gehalten wird.
Hin und wieder kann so eine Kralle allerdings ganz unglücklich am oder leider auch im Auge bzw. an der Nase oder in einem Nasenloch landen. Die dadurch entstandenen Verletzungen sind dann sehr wohl schwerwiegender und bedürfen meist umgehender Behandlung.
In Einzelfällen gibt es diese schlimmen Bisse im Kopf- bzw. Halsbereich natürlich, aber wenn ich die vielen Berichte von Haltern lese, die dabei angeben, dass es zu Kehlbissen gekommen wäre, so bin ich diesbezüglich eher skeptisch und hake daher lieber nach. Oftmals kristallisiert sich dann bei näherer Betrachtung heraus, dass der Halter keinesfalls beobachten konnte, dass sich die Degus vorsätzlich in den Halsbereich gebissen haben, sondern dass es nach der einen oder anderen turbulenten Phase des direkten Zusammentreffens auf einmal Verletzungen in Hals- bzw. Kehlbereich gegeben hat.
In Bezug auf deine Ausführungen bzgl. der Bisse im Halsbereich, die Bud nach den Auseinandersetzungen mit Terence und Igor erlitten hat, möchte ich nicht ausschließen, dass es sich dabei tatsächlich um vorsätzlich erfolgte Kehlbisse gehandelt hat. Denn ich war weder dabei, noch kenne ich deine Degus.
Aber je nach Art und Ablauf der Auseinandersetzungen können diese Verletzungen, wie vorab bereits erläutert, anders entstanden sein. Meist kann man aber bei genauem Hinschauen sehen, ob dies Kratzspuren im Rahmen der Boxkämpfe oder tatsächlich Gebissabdrucke sind.
Auch sind „Degukugeln“ nicht per se ein Anzeichen dafür, dass man den Rivalen am liebsten um die Ecke bringen oder zumindest aus dem Revier vertreiben möchte.
Diese Kugeln entstehen zwangsläufig, wenn es zu Aufreitversuchen kommt und das aufgerittene Tier, was damit verständlicherweise nicht einverstanden ist, alles daran setzt, sich dem zu entziehen und den Aufreitenden „abzuschütteln“ u./o. seinerseits versucht, diesen ebenfalls aufzureiten. Dies ist ein Dominanzverhalten (zumindest im Rahmen von Vergesellschaftungen) denn wer oben ist, fühlt sich als der (vermeintlich) Stärkere.
Dabei werden auch ganz gerne von Aufreitenden die Zähne „zum Festhalten“ des Aufgerittenen eingesetzt. Damit soll verhindert werden, dass das sich unten befindliche Tier aus der Umklammerung befreien kann. Dabei wird es mit den Vorderpfoten fixiert und im Einzelfall zusätzlich noch mit einem „Festhalt-Griff“ mittels der Zähne daran gehindert, sich dem Aufreitenden zu entziehen. Dadurch entstehen ebenfalls Verletzungen und zwar meist im Nacken oder im Rücken- bzw. seitlichen Bereich. Wenn das mit dem Aufreiten partout nicht klappen sollte, dann sind zudem Verletzungen im Gesäßbereich zu verzeichnen.
Allerdings muss man hier als Halter sehr gut aufpassen, denn eine „harmlose“ Degukugel kann leider auch binnen kürzester Zeit in eine gefährliche Situation umschlagen. Denn spätestens, wenn die Mäulchen nicht nur offenstehen (was man bspw. oftmals bei den vorab angesprochenen Boxkämpfen beobachten kann) sondern die Zähne tatsächlich vorsätzlich eingesetzt werden, kann dies zu bösen Verletzungen führen. Und weil die Interaktion zwischen den Degus in einer Schnelligkeit ablaufen kann, die man als beobachtender Halter manchmal gar nicht so schnell nachverfolgen kann, wie sie geschieht, sollte man seine Tiere in dieser Phase der Vergesellschaftung nicht aus dem Auge lassen.
Ebenso verhält es sich mit Jagden. Wenn sich diese unaufhörlich und ohne nennenswerte Pause insbesondere auf ein spezielles Tier fokussieren, dann sollte man sehr sorgfältig abwägen, ob dies noch tolerabel ist oder ob man an diesem Punkt einen Cut macht. Unabhängig davon, dass eine Überbeanspruchung oder regelrechte Erschöpfung selbst ein gesundes Tier in einen kritischen, gesundheitlichen Zustand versetzen kann (weswegen unbedingt längere Ruhepausen vorhanden sein müssen) kommt es nicht selten zu heftigen Beißereien, weil das gejagte Tier nicht mehr kann und sich dementsprechend dieser körperlichen Beanspruchung versucht zu entziehen, in dem es stehen bleibt und in Panik u./o. aus Verzweiflung den Jäger frontal angreift.
Daher sollte man, so meine ich jedenfalls, an dieser Stelle die Vergesellschaftung abbrechen, um Schlimmeres zu verhindern. Wenn sich Degus nämlich erst einmal richtig gebissen haben, werden weitere Zusammenführungsversuche deutlich schwieriger und nicht selten sogar aussichtslos.
Ich könnte hier noch eine Vielzahl anderer Empfehlungen nennen, die man so im I-Net lesen kann und die man so eigentlich nicht stehen lassen kann.
Das würde hier aber den Rahmen sprengen, zumal ich eh schon viel zu weit ausgeholt habe….
Nun aber konkret zu deinen Jungs. Wie du bereits selber festgestellt hast, befindet sich dein etwa einjähriger Feivel gerade in einer Altersstufe, die extrem schwierig ist und in der es in vielen Gruppen zu auffälligem Verhalten kommt.
Nachdem ich nun ein wenig mehr über deine Tiere und deren Vorgeschichte weiß, ist es schon auf der Hand liegend, dass Feivel vor etwa einem Jahr mit einem Alter von 6 Wochen ohne Probleme in die Gruppe gekommen ist. Damals war er den „Alttieren“ sowohl größen-, als auch kräftemäßig deutlich unterlegen, so dass ein Aufbegehren sicherlich aussichtslos gewesen wäre.
Dies sollte man aber nicht als „Welpenschutz“ interpretieren, denn so etwas gibt es bei Degus nicht.
In deinem letzten Beitrag hast du ja auch weitere Angaben zu deinen Käfigen gemacht. Auch wenn ich weiß, dass ich mich mit den folgenden Ausführungen alles andere als beliebt mache, muss ich dir leider mitteilen, dass sie für die dauerhafte Deguhaltung zu klein sind. Und zwar sind sie mit einer Breite von 65 cm deutlich zu kurz.
Die Mindestmaße für 2 bis 3 Degus liegen (Länge/HöhexBreitexHöhe/Länge) bei 120/100 x 50 x 100/120 cm, wobei insbesondere der Käfiglänge ganz viel Bedeutung zukommt. Denn als Lauftiere benötigen Degus lange, durchgehende Flächen, die sich neben der Grundfläche (Bodenbereich) nochmals mindestens 2 Mal in Form von Volletagen (also Ebenen über die komplette Länge und Breite der Grundfläche) wiederholen müssen.
Wenn weitere Degus in dem Deguheim leben sollen, muss es natürlich noch größer ausfallen.
Ich weiß nicht, wer dich bzgl. des Käfigkaufs beraten hat, aber ich vermute, dass es der Handel war, denn den Maßen nach handelt es sich um eine handelsübliche Gittervoliere.
Gerne verlinke ich dir an dieser Stelle die Infothek der Deguhilfe Süd -
https://www.deguhilfe-sued.de/index.php?id=30 - und dabei insbesondere das Infoblatt „artgerechter Käfig“ -
https://www.deguhilfe-sued.de/files/Inf ... 6-2015.pdf -, sowie die Übersicht über die verschiedenen Käfigarten -
https://www.deguhilfe-sued.de/files/Inf ... 7-2015.pdf -. Stöbere mal in Ruhe darin herum, denn ich denke, dass du darin noch eine Menge informativer Hinweise finden wirst.
Nachdem ich dir ja in dem ersten Beitrag auf deine Frage, warum Feivel so auf das Gitter seines Käfigs fixiert ist und daran auch „Gitter-Klavier“ spielt, die denkbaren Ursachen dafür genannt habe, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass hier auch, neben seinem Alter und der Tatsache, dass da jemand "Fremdes" so nah herangerückt ist, der zu kleine Käfig eine bedeutende Rolle spielt.
Gerade junge Tiere haben ein noch größeres Bewegungsbedürfnis, als bspw. ältere Tiere und sind daher viel aktiver. Wenn man dann aber nur wenige „Hopser“ machen kann, um den Käfig einmal in der Länge zu durchqueren, dann kann dies schon zu dem von dir beobachteten Verhalten kommen. Mein Käfig hat eine Länge von 160 cm und selbst dabei sehe ich immer wieder, dass meine Degus diese Fläche in null Komma nix durchqueren.
Daher empfehle ich dir, dass du schnellstmöglich die vorhandene Käfigsituation optimierst. Evtl. besteht ja sogar die Möglichkeit, dass du bei den wohl baugleichen Volieren jeweils eine Außenseite komplett entfernst, dass du so beide direkt miteinander verbinden und dann mit durchgehenden Ebenen ausstatten kannst.
Dann hätte der dadurch entstandene Käfig eine schöne Länge bzw. Grundmaße (LängexBrreitexHöhe) von 130x60x130 cm. Wenn es dir dann noch gelingt, darin mehrere Volletagen so anzubringen, dass sie auch durch die meist sehr kleinen Öffnungen der handelsüblichen Volieren weitestgehend überall zu erreichen sind, wäre dies super.
Ganz besonderes wichtig sind Volletagen übrigens aus mehrerlei Gründen:
1. Es ist viel Lauffläche nötig, damit sich die Tiere bei Bedarf aus dem Weg gehen können, d.h. mehr Fläche kann auch aufkeimende Aggressionen verringern. Aber auch z.B. aufgrund der Verletzungsgefahr durch mögliche Abstürze sind die Vollebenen notwendig. Einige Degus klettern durchaus hin und wieder. Sie sind dabei aber nicht sonderlich geschickt (z.B. im Vergleich zu Hörnchen oder auch Ratten) und können abstürzen. Daher sollten keine Fallhöhen von mehr als 40-45 cm vorhanden sein. Bei älteren und/oder sehbehinderten Tieren sind feste Untergründe sehr wichtig und ohne feste Etage wären diese Tiere dann in ihrem Revier stark eingeschränkt.
Stürze können im schlimmsten Fall zu Querschnittslähmungen oder sogar zum Tode führen.
2. Hat man z.B. 2 Volletagen zusätzlich zu der Bodenebene, kann man den Käfig genau hälftig auf der 1. Etage mit einem senkrechten, doppelten Trenngitter abtrennen, so dass jede Partei während der nun bei dir anstehenden Vergesellschaftung einen gleich großen Teil des Käfigs erhält. Eine solche Abtrennung ist unerlässlich bei Vergesellschaftungen, damit sich die Tiere gefahrlos kennenlernen können, indem sie am doppelten Gitter Riech-, Sicht- und auch Hörkontakt aufnehmen, sich dabei aber nicht gegenseitig verletzen können. Denn so wird verhindert, dass ggf. durch das Gitter kommende Pfötchen, Schnauzen oder Schwänze nicht von der anderen Gitterseite aus abgebissen werden.
3. Außerdem benötigen beide Parteien bei einer sich möglicherweise über mehrere Wochen oder gar Monate hinziehenden Vergesellschaftung noch genügend Platz zum freien Rennen. Es geht nicht nur um die reine Lauffläche, sondern auch um Stellfläche für Sandbad, Laufrad etc.. Außerdem kann es auch nach einer erfolgreichen VG und bei schon harmonischen Gruppen ganz schnell gehen, dass sich die Tiere, aus welchem Grund auch immer, derart streiten, dass sie umgehend getrennt werden müssen. Hat man dann für den hoffentlich nicht eintretenden Fall schon vorausschauend und auch vorsorglich geplant, ist eine solche Trennung mit wenigen Handgriffen durchführbar.
Je schneller du eine Optimierung deines Deguzuhauses umsetzten kannst, umso besser, denn diese Voraussetzungen brauchst du so oder so, wenn du deine drei Jungs vergesellschaften möchtest.
Wie bist du eigentlich bei der Integration von Feivel vorgegangen? Hattest du da auch eine Annäherungs- und Kennenlernphase an einem doppelten Trenngitter oder hast du ihn ohne diese Maßnahme sofort zu Bud gesetzt?
Wenn letzteres der Fall gewesen sein sollte, so ist das bei Jungtieren schon möglich. Aber diese Vorgehensweise funktioniert leider nicht bei heranwachsenden oder ausgewachsenen Degus.
So jetzt hattest du erst einmal eine Menge Lesestoff, die du erst einmal verarbeiten musst. Hoffentlich habe ich dich damit nicht erschlagen…
Ich würde vorschlagen, dass du alle weiteren Aktivitäten in Bezug auf eine Wieder-Zusammenführung solange ruhen lässt, bis du die räumlichen Gegebenheiten angepasst hast.
Dann würde ich an deiner Stelle die Jungs entsprechend ihrer jetzigen Aufteilung in jeweils eine Käfighälfte setzen und beobachten, was passiert. Dies solltest du hier dann berichten und im Anschluss daran können wir uns gemeinsam Gedanken über die weitere Vorgehensweise machen.
Was hältst du davon?
Wenn du Fragen bspw. zu dem Umbau haben solltest, kannst du hier natürlich auch gerne nachfragen.