Deguhilfe Süd e.V. - Forum

Moin zusammen, meine drei Jungs sind mir ein Rätsel. Ende Januar sind sie zu mir gekommen, sie werden bald drei Jahre alt. Es sind Brüder/Halbbrüder. Meine Jungs sind keine ausgesprochene Kuschelgruppe, aber es gab auch nie viel Streit. Falls doch, dann von der harmlosen Sorte. Jeder kabbelt sich mal mit jedem, jeder setzt sich mal durch.

Die Typen:
- Bogdan: Der größte, schwerste und gemütlichste Degu. Er baut die Nester (wer mitmachen will, wird widerspruchslos verscheucht) und bestimmt, wo geschlafen wird. Er ist der ungeschickteste und langsamste Degu, auch was die Auffassungsgabe angeht. Trotzdem hat er den ausgeprägtesten Entdeckergeist, büxt am liebsten genau dahin aus, wo er nicht hin soll. Er ist ein Gemütstierchen.
- Mörschel: Der dynamischste, schnellste, vorsichtigste (Sprungfeder-)Degu. Passt immer auf, wer in die Wohnung kommt, Fremde werden von ihm "angeschrien", überhaupt hat er eine große Bandbreite an Kommunikationslauten. Er will, dass alles so ist wie immer. Wenn er seine Ruhe hat, ist er sichtlich zufrieden.
- Bartleby: Der quirligste, aktivste, geschickteste, schlankeste Degu. Immer auf Achse, muss immer was zu tun haben. Er scheint intelligenter als seine Brüder zu sein. Er versteht neue Situationen am schnellsten. Ist immer an vorderster Front. Gleichzeitig ist er der panischste Degu, wenn ihm was Angst macht. Dann versteckt er sich hinter seinen Brüdern. Wäre er ein Mensch, lautete seine Diagnose ADHS.

Die Gruppendynamik:
Das Gruppenleben schien sich um Bogdan herum zu entwickeln. Besonders Bartleby hat immer Bogdans Nähe gesucht, die beiden wirkten immer ein bisschen verliebt, Bartleby wurde ausgiebig von Bogdan beknabbert und hat es genossen. Manchmal hat Bartleby sich unter Bogdan geschoben (eine Unterwürfigkeitsgeste?), manchmal hat Bogdan länger auf Bartleby stapelmäßig herumgesessen. Aber Bogdan wollte auch regelmäßig seine Ruhe haben, hat sich in die Buddeletage verzogen oder so und hat auch schon mal grimmig signalisiert, wenn er allein sein will. Ähnlich Mörschel, er hat was Einzelgängerisches. Mit Bogdan hat er eigentlich immer einen vertrauten Umgang gepflegt, sie sitzen oft zusammen, sind aber selten innig miteinander. Mörschel und Bartleby sind so´n bisschen die "Spielkinder", animieren sich, im Auslauf rumzuflitzen, Bartleby war oft der Vorturner. Mörschel will aber eben auch gerne alleine rumtapsen, er geht regelrecht spazieren. Bartlebys Hibbeligkeit ist ihm manchmal zu viel. Mörschel hat was "Explosives": Er ist lange zurückhaltend, aber wenn er sauer wird, dann kurz und heftig. Das war eigentlich immer das Prinzip: Bogdan und Mörschel haaben viel Geduld mit dem etwas "streitsüchtigen" Bartleby, der nicht so gut allein sein kann und seine Interessen oft mit Beharrlichkeit und Penetranz durchsetzt. Aber wenn Bogdan und Mörschel die Hutschnur geplatzt ist, hat Bartleby bis jetzt immer den Schwanz eingezogen. Boggo und Mörschel, das alte Ehepaar, leben routiniert nebeneinander her - wenn aber einer von beiden schreckhaft drauf ist oder so, steht der andere ihm zur Seite. Aufreiten habe ich bis hierhin nur selten beobachtet, das mochte keiner und wurde meist in jeder Kombination schnell abgewehrt.

Der Konflikt:
Letzten Samstag der erste bemerkenswerte Streit: Ich habe im Auslauf saubergemacht. Die Degus durften dabei sein, sie laufen, wenn ich saubermache, manchmal zwischen meinen Füßen und Händen rum, oder legen sich schlafen, wenn sie keinen Bock haben. Mit Veränderungen sind sie bis jetzt immer mühelos klargekommen. Diesmal hat Bartleby Bogdan vom zur Seite gestellten Mobiliar weggejagt, in den Käfig hinein, alles vier Stockwerke hoch. Sowas hatte es in meiner Anwesenheit noch nicht gegeben. Bartleby war danach tagelang scharf darauf, Bogdan zu dominieren (nicht mehr verjagend, sondern ihn besteigen wollend), der - entgegen früherer Gewohnheit - kein Kontra gegeben, sondern verschreckt das Weite gesucht hat. Auffällig war, dass Mörschel sich in dieser Phase um Bogdan bemüht hat, er hat ihn ausgiebig bekuschelt, sich zu ihm gelegt, sich zwischen Bartleby und Bogdan gesetzt beim Fressen usw. Er hat sich aber auch mehr um Bartleby gekümmert als sonst, es sah so aus, als würde er sich mit Bartlebys penetrantem Überschwang auseinandersetzen, als wäre er sein Gruppentherapeut. Mörschel hatte ein paar Tage ganz viel Geduld mit Bartlebys Allüren.
Mein Mörschelchen will seine Ruhe haben, umso beeindruckter bin ich, dass er in den letzten Tagen als Kümmerer richtig über sich hinausgewachsen ist. Während Bogdan Bartleby total aus dem Weg geht. Sobald Bartleby, selbst in freundlicher Absicht, auf Bogdan zugeht, ist Bogdan weg - mittlerweile nicht mehr so verschreckt wie letztes Wochenende, aber Bogdan hat sichtlich überhaupt keinen Bock mehr auf Bartleby, der vorher sein kleiner Liebling war. Er zeigt ihm die kalte Schulter.
Bartleby versucht sich mit seinem Dominanzgehabe und Besteige nun zunehmend an Mörschel: Wenn Bartleby Mörschel besteigen will, versucht Mörschel umgekehrt Bartleby zu besteigen. Hier hat keiner klar die Oberhand - bis Mörschel sauer wird und die Situation beendet. Gestern Abend hatte Mörschel einen minutenlangen Wutanfall, wo er in noch nie gehörten unterschiedlichen Tönen auf Bartleby eingeschimpft hat, der ihm nachlief. Bartleby zeigte sich beeindruckt und hielt Abstand. Später lieferten sich die beiden noch einen quietschigen Boxkampf.

Seit zwei, drei Tagen hat Bartleby auffällig verschreckte Phasen. Auch wenn er sich wie ein Arschloch benimmt (aus meiner Menschensicht), der kleine Frosch ist halt auch so bedürftig und ist mit sich selbst und der ganzen Situation überfordert, glaube ich. Gestern war seine linke Flanke nass, heute seine rechte. Ich vermute, seine Drüsen arbeiten auf Hochtouren, der Stress ist ihm geradezu körperlich anzumerken. Bartleby braucht das eigentlich, von den anderen geerdet zu werden, aber er scheint ihnen über den Kopf zu wachen.
Blut geflossen ist keines. Wenn Mörschel dabei ist, können die drei auch einträchtig beieinanderliegen, sie schlafen nach wie vor zusammen. Das Problem ist nur, dass Bartleby immer wieder Aufwind bekommt und den Macker macht, sobald er mal keinen Gegendruck bekommt. Phasenweise wird er von den anderen beiden gemieden, kein Wunder... Vorhin habe ich beobachtet, dass Bogdan sich widerspruchslos von Mörschel besteigen lassen hat, was ich so auch noch nie gesehen habe. Zwischen den beiden scheint das Verhältnis also bestens geklärt zu sein, auch wenn ich Mörschelinho bislang eher nicht für das Alphatier gehalten hätte.

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Ich sauge hier im Forum vieles auf, ich glaube, ich brauche keine Basis-Informationen, zum Beispiel ist mir schon klar, dass ich jetzt im Moment wenig verändere und mit dem Auslauf zurückhaltend bin, auch dass ich besonders auf gesundheitliche Schwächen achte. Bald geht´s für alle drei sowieso wieder zum Zahnspitzen schleifen.

Aber ich hätte doch gerne mal ein Feedback, was hier los sein könnte? Bartleby hat sich durch seine Energie und Penetranz zwar oft gegen seine Brüder durchgesetzt, aber nach meiner Beobachtung haben sie ihn nur gewähren lassen, um ihre Ruhe zu haben. Jetzt wirkt es so als hätte er Frühlingsgefühle und will alles bespringen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Dass Bogdan ihn nicht in die Schranken weist, verblüfft mich! Die Rangordnung, in der ich Bartleby bis jetzt ganz unten gesehen hatte, ist offenbar in Unordnung geraten. Oder habe ich mich nach meinen Beschreibungen in der bisherigen Hierarchie getäuscht?

Und wie ernst klingt das Ganze? Durch Home-Office bin ich oft bei meinen Degus, sie haben täglich stundenlang Auslauf in der für sie präparierten Wohnung, ganz oft ist die Stimmung prima, sie erkunden, knabbern, laufen, zwitschern hier vergnügt herum. Die Stimmung der letzten acht Tage ist für mich beklemmend, weil die Unbeschwertheit weg ist. Ich bin gleichzeitig beeindruckt, wie komplex sie ihre Konflikte austragen. Klingt das für euch erfahrenen Halter wie eine normale Krise ("herbsteln") oder sind bei meiner Beschreibung alle Alarmglocken an?

Ich weiß, ich mache mir viele Gedanken, vielleicht zu viele, aber es interessiert mich und ich möchte die kleinen Mäuschen gerne besser verstehen.

Hi,

ich würde darauf tippen, dass es Bogdan aktuell nicht gut geht und vermehrt auf ihn achten. Du schreibst, alle gehen zum Zahnarzt wegen Zahnspitzen - möglicherweise ist das bei ihm aktuell dringender, als Du glaubst?

Oft kommt es zu solchen Umbrüchen der Hierarchie, wenn der einstige Boss geschwächt ist.

@firelady: Danke! Ja, das liegt am nächsten, auf Bodgan achte ich im Moment besonders. Ich "belästige" ihn täglich durch Abtasten, Wiegen und Beobachten, kann aber im Fressverhalten und außer seiner passiven Rolle im Gruppenkonflikt keine besonderen Auffälligkeiten feststellen. Außer vielleicht, dass er hat in der letzten Woche einen morgendlichen Piepsanfall entwickelt hat, ähnlich wie er im Nachbarthread beschrieben wird, nur kürzer: fünf oder zehn Minuten. Er ist sonst kein "Schreier" ist, wenn dich, war Anlass war der Anlass auch für mich zu erkennen (erschrecken). Im Moment ist das für mich ein verständlicher Stressausdruck. Aber ich passe auf und ziehe den Zahnarzt vor (Termin in zwei Wochen), sobald ich gesundheitliche Auffälligkeiten bemerke.

Ich beschreibe das so ausführlich, weil ich hoffe, dass ich mehr über die Hierarchie meiner Jungs lernen kann - bislang konnte ich weder die Hierarchie an sich noch das Dominanzverhalten meiner Tierchen sicher einschätzen. Mein Eindruck war, dass Bogdan den größten Einfluss auf die Gruppe hat, weil die anderen sich bei ihm am wohlsten zu scheinen fühlen. Für mich wirkte es so als wäre Bogdan das Alphatierchen, ohne viel dafür zu tun oder das besonders zu wollen. Mörschel als "Einzelgänger" konnte ich kaum einordnen, er bedrängt seine Kumpels eigentlich nie, aber wenn er sauer wird, ist er eindeutig derjenige, mit dem man sich am wenigsten anlegen sollte, würde ich sagen. Ihn hatte ich als Beta ohne jeglichen Führungsanspruch gesehen. Im Moment wäschst Mörschel, finde ich, über sich hinaus, er ist wie der soziale Kitt der Gruppe. Bartleby wirkt auf mich vom Naturell zwar am dominantesten ("Ich, ich, ich!": Überall der erste, will zum Beispiel immer am meisten futtern, die anderen sollen am besten gar nichts abbekommen), er ist aber zu flippig und scheint nicht die innere Stabilität zu haben, um als Autorität anerkannt zu werden. Außerdem ist er sein feingliedrig und dürfte im Ernstfall körperlich unterlegen sein.

Klingt das plausibel oder liegt nahe, dass ich die Rangordnung falsch deute? Mörschel könnte natürlich immer schon Alpha gewesen sein...? Oder unterschätze ich Bartleby? Kann es sogar sein, dass nicht alle Degugruppen eine feste Hierarchie benötigen und damit leben können, dass das munter durchwechselt?