Brauchen Degus eine "Trauerzeit" ?

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SaScha
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Brauchen Degus eine "Trauerzeit" ?

Hallo zusammen,
immer wieder wird dazu geraten, nach dem Tod eines Partners (Zweierteams) eine Trauerzeit einzuhalten, bevor man mit der VG mit einem neuen Tier beginnt. Die Empfehlung variiert dann von wenigen Tagen bis sogar einigen Wochen 😐.
Begründung : die VG würde dann stressfreier laufen.
Mir scheint das etwas vermenschlicht und die Tiere tun mir eher leid - habe aber (zum Glück ) noch keine Erfahrung hier machen müssen.

Was meint ihr ?
Und spielt evtl das Alter eine Rolle oder ob eine Krankheit voranging oder ob es ein plötzlicher Tod war ?

Danke und
LG Sabine
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DaLo
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Re: Brauchen Degus eine "Trauerzeit" ?

Hallo,

nein... die Tiere brauchen keine Trauerzeit, bzw. würden sie sich die schon selber nehmen.
Es gibt Tiere die beim Tod ihres Partners tatsächlich ganz furchtbare Trauer zeigen. Da hatte ich schon Herz zerreißende Szenen. Viele jedoch haben äußerlich gesehen überhaupt kein verändertes Verhalten. Aber auch bei stark trauernden Tieren habe ich es noch nicht erlebt, dass die Haupttrauer länger als zwei, drei Tage anhielt. Manches Tier findet nie wieder vollständig zu seinem alten Verhalten zurück, meist aber wird der Verlust schon bald akzeptiert und sich mit der neuen Situation arrangiert.
Das Argument, man solle die Tiere alleine lassen, damit sie bei einer anschließenden VG kompromissfähiger sind, ist schlicht Humbug und m.E. unverantwortlich.
Es gibt vereinzelt Degus, die so arg trauern, dass sie direkt das Fressen einstellen, apathisch werden und - wenn man dann nicht binnen kurzer Zeit Artgenossen zumindest in die Nähe stellt - eingehen. Diejenigen, die hier zu mehreren Wochen Alleinhaltung raten, haben eine solche Situation schlichtweg noch nicht erlebt, sonst kämen sie nicht darauf, eine solche Empfehlung pauschal auszusprechen.

Dass meist einige Tage bis auch wenige Wochen zwischen dem Tod des Partners und der Aufnahme eines neuen Partners liegen, kommt aber natürlich oft vor, da man ja vielfach nicht direkt einen passenden Partner findet.
Ich habe auch schon Einzeltiere vorübergehend bei mir aufgenommen, da mir die Halter erzählten, dass ihr Degu seit dem Verlust des Partners nichts mehr frisst, sie aber so schnell keinen "Ersatz" finden. Dann kommt das Einzeltier hier in den Raum zu den anderen Pfleglingen bis ein Partner gefunden ist. In der Regel schöpfen Degus umgehend wieder Hoffnung, wenn sie Artgenossen wahrnehmen.

Gruß Dagmar
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esmeralda
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Re: Brauchen Degus eine "Trauerzeit" ?

Guten Morgen,

ich sehe das Thema deutlich differenzierter und unterscheide folgende Punkte:
- Akute Trauerphase
- Trauerzeit und damit eng verbundenen
- Trauerverhalten, was i.d.T. eine deutliche (und teilweise sogar dauerhafte) Verhaltensänderung nach sich ziehen kann

Nach meinen Erfahrungen tritt die akute Trauerphase meist ab dem 3. Tag an. Das scheint der Zeitpunkt zu sein, an dem das/die übriggebliebenen Gruppenmitglied/er feststell/t/en, dass der tote Partner wirklich nicht mehr zurückkommt. Vorher habe ich oftmals beobachtet, dass eine Art „Wartehaltung“ eingenommen wird und ich das Gefühl hatte, dass nach dem „verschwundenen“ Tier gesucht wird. Außerdem werden in dieser akuten Phase sehr häufig Plätze aufgesucht, an dem sich das nunmehr tote Tier gerne und viel aufgehalten hat. Insgesamt ist es dabei ungewöhnlich ruhig innerhalb der Gruppe, was sich darin äußert, dass eigentlich nur die notwendigsten Alltagstätigkeiten, wie fressen, trinken und schlafen ausgeübt werden. Normalerweise bestehende „Bauprojekte“, „Durchwuseln des Käfigs“ u./o. sportliche Aktivitäten, wie Laufrad-Laufen ruhen dabei hingegen oftmals. Dieser Zustand hält dann weitere 1 bis 2 Tage an, bis sich in den überwiegenden Fällen das Alltagsleben wieder normalisiert.

Je nach Verhältnis der Tiere untereinander zu Lebzeiten, ist m.E. die ganze Palette von Reaktionen wie Desinteresse, Gleichgültigkeit, Irritation, bis hin zu einem Verlustschmerz zu erkennen. Und von diesen Reaktionen hängt dann auch das weitere Verhalten der/des übrig gebliebenen Partner/s ab.
Insbesondere wenn es sehr inniges Verhältnis zwischen dem toten und dem/den Übriggebliebenen bestanden hat, kann es zu sehr extremem Verhalten kommen.

War der tote Degu ein respektiertes, geschätztes oder sogar überaus geliebtes Gruppenmitglied, fällt die Reaktion des jeweiligen, übriggebliebenen Partners anders aus, als wenn man zu Lebzeiten bspw. ein „einvernehmliches Arrangement des Zusammenlebens" getroffen worden war bzw. ein Nebeneinanderher-Leben stattgefunden hat.

Auch kann die Rangstellung des toten Tieres völlig unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Handelte es sich dabei z.B. um das Alphatier, was seine Gruppe sehr umsichtig und ohne „Drangsalierung“ der anderen geführt hat, so hinterlässt es eine große Lücke, die geschlossen werden muss. War der tote Degu allerdings jemand, der sich durch sein Verhalten alles andere, als beliebt in der Gruppe gemacht hat, dann geht man recht schnell wieder zur Tagesordnung über. Ich habe beides bereits mehrfach erlebt bzw. mir wurde von anderen Haltern von diesem Verhalten berichtet.
Und oftmals braucht eine Gruppe nach einem Todesfall eine gewisse Zeit, um sich wieder neu zu orientieren u./o. die Rangfolge neu zu klären, weswegen ich hier immer wieder mal empfehle, vorerst mit der Neuaufnahme von weiteren Tieren zu warten, bis dies geklärt ist.

Zudem kann die Entwicklung des weiteren Verhaltens davon abhängen, ob das verstorbene Tier eine Gruppe oder ein Einzeltier hinterlässt. Bei einem Einzeltier sollte man sich möglichst schnell auf die Suche nach neuen Artgenossen begeben.

Ich könnte hier einen Roman mit vielen Einzelfallbeispielen nach dem Tod eines Gruppenmitglieds schreiben, aber dies würde tatsächlich den Rahmen sprengen.

Festhalten kann ich allerdings, dass es nach einem Todesfall zu vorübergehenden oder gar dauerhaft anhaltenden Verhaltensänderungen der noch vorhandenen Partner kommen kann.
Dies kann sich in Form von bspw. deutlich erkennbarer Verunsicherung, Ängstlichkeit, dem Unwillen, einen bereits bekannten Partner (in einem Fall ließ es ein Gruppenmitglied nicht mehr zu, dass die Partnertiere Körperkontakt in Form von Kuscheln oder „Beknibbeln“ suchten, was zu regelmäßigen und leider auch blutigen Auseinandersetzungen führte, so dass dieses Tier abgetrennt werden musste. Es dauerte in diesem Fall extrem lange, bis sich dieses im Verhalten auffällige Mädel wieder auf Artgenossen einließ) oder eines neuen Degus an sich heranzulassen, über Apathie bis hin zur Selbstaufgabe führen.

Letzteres habe ich einen sehr krassen Fall vor knapp 1 ½ Jahren erlebt. Das letzte Tier einer ehemaligen 5-er Gruppe, die sich im Laufe der Jahre immer mehr verkleinert hat, hatte schon bei vorangegangenen Todesfällen ein deutliches Verlustverhalten mit m.E. klar erkennbarer und teilweise sogar lang anhaltender Trauer gezeigt. Nachdem dann aber das letzte Partnertier, eine Wegbegleiterin von fast Anfang an und zudem Ziehmutter, aufgrund von hohem Alter eingeschläfert werden musste, gab sich die Übriggebliebene ab dem 3. Tag nach dem Tod vollkommen auf, stellte das Fressen ein (und dies obwohl von unseren Tierärztin nach 2 gründlichen Gesundheits-Checks definitiv nichts gefunden werden konnte) und musste schlussendlich, trotz aller Bemühungen, 6 Tage nach dem Weggang des anderen Mädels ebenfalls eingeschläfert werden. Dabei lebte bereits seit längerem ein anderer Degu am Trenngitter, mit dem sie auch schon direkt zusammengetroffen war und mit ihm klarkam. Und dieser Degu, der sich bis dato durch ein recht eigenwilliges Verhalten ausgezeichnete, hatte offensichtlich ein Gespür für das Trauerverhalten der Nachbarin und setzte alles daran, um mit ihr durchs Gitter zu kommunizieren und sie „aufzumuntern“. Aber nichts half.
Liebe Grüße

Monika

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